Leseprobe


Bayerisch Kongo

Alpenkrimi von Lutz Kreutzer


Machete



Sperbers Fuß klatschte auf den Lehmboden. Ein Knacken draußen hatte ihn aufschrecken lassen. Das Moskitonetz klebte an seinem Unterarm. Sein Gesicht war nass vom Schweiß. Wieder eine Nacht, in der seine Träume Rallye gefahren waren. Es war über vierzig Grad heiß, dazu diese lähmende Feuchtigkeit. Er verfluchte diesen Morgen, genau wie jeden Morgen, seit er in diesem Zelt hauste.
   Er setzte sich im Feldbett auf, legte den Kopf in die Hände und stöhnte. Seine Zunge klebte wie Kleister. Die klammen Haare warf er nach hinten. Er zog die Arbeitsschuhe an, ohne sie zu schnüren. Dann erhob er sich und streckte den Oberkörper. Das Geräusch des Skorpions, den er versehentlich zertrat, ließ ihn nicht einmal aufschrecken. Er hob den Fuß und betrachtete den Brei aus Chitin, Blut und weißem Schleim. Das ist die Rache am Dschungel, dachte er grimmig. Nie wieder Kongo!
Er knöpfte sich die Hose zu und trat vors Zelt. Diese Mine hier war eine Katastrophe, wie alles im Kongo. Überall Hunger, Hass und Krieg. Aber er wurde gut bezahlt für die Exploration. Coltanerz war gefragt in der Welt, alle wollten das Zeug. Handys, Laptops, Spielkonsolen: Ohne Coltan lief gar nichts.
Jetzt fiel ihm der Streit von gestern Abend wieder ein, bei einer Flasche Scotch. Sein kanadischer Kollege McMullen hatte mal wieder rummoralisiert. Hatte sich vor Sperber aufgebaut wie ein Bulldozer vor einer Gartenschaufel. »Wie das Coltan aus diesem Scheißdschungel herausgeholt wird«, hatte er gewettert, »das interessiert da draußen niemanden! Und schon gar nicht die verdammt miese Lage der Kongolesen. Die kriegen von dem Reibach nichts ab.« McMullen setzte sich, dass der Holzstuhl krachte. »Es sei denn, sie gehen zu den Rebellen und Kindersoldaten. Was für ein Mist! Und dein Deutschland steckt tief drin in diesem Dreckshandel.«
»Na und? Dein Kanada vielleicht nicht?«, hatte Sperber gekontert. McMullen, dieser ewige Nörgler! Soll ihn doch der Teufel holen. Und meinen Kater auch! Sperber kratzte sich den brummenden Schädel, gähnte und schob beide Hände tief in die weiten Hosentaschen.
Die drei Jungen kamen barfüßig und ohne Lächeln auf ihn zu. In dem Moment, als er den Größten fragen wollte, was sie hier zu suchen hatten, erkannte er, dass da nichts Gutes kam. Zu spät sah er die Machete des kleinsten Jungen durch die Luft wirbeln. Mit einem dumpfen Knall wie bei einem feuchten Stück Holz, das man mit einer Axt zerteilte, krachte sie auf seinen Rücken. Sperber sah den Kleinen fragend an und dachte: Arschloch! Er sank zur Seite und fiel in den Dreck.
Der Älteste der Jungen beugte sich hinab, legte seinen Kopf quer und belauerte kalt Sperbers Augen. Tot stellen, dachte Sperber. Er starrte ins Leere. Hörte auf zu atmen. Bewegte sich nicht. Es vergingen Sekunden. Eine Ewigkeit.
Die Augen des Jungen rollten kaum merklich. Er war berauscht. Er rüttelte an Sperbers Arm. Schneidender Schmerz blitzte durch Sperbers Rücken. Doch sein Gesicht blieb reglos. Dann gingen die drei wieder, auf dem Weg, den sie gekommen waren. Sperber holte Luft und sah, wie der Älteste dem Jüngsten mit der Machete wortlos auf die Schulter klopfte und der Dritte voller Erregung auf ihn einredete. Der Kleine hatte seine Mutprobe bestanden.

Ende der Leseprobe
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